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Ein Abend mit historischer Harfenmusik kann viele Ansätze haben, ein
Name jedoch wird selten fehlen: Turlough O'Carolan. Niemand sonst
als der „Vater der irischen Musik“ hat so großartig und
ausschließlich für dieses Instrument geschrieben, niemand sonst hat
so tiefe, bis heute kenntliche Spuren in der Musikgeschichte
hinterlassen. Auch Tom Daun entwickelt seine Spurensuche auf den
Entwicklungslinien der historischen Harfenmusik von O'Carolan aus
und kehrt am Ende zu ihm zurück. Der irische Barockkomponist ist
unter anderem schon deshalb eine Legende, weil er blind war. Im
Alter von drei Jahren mit den Pocken infiziert, verlor er das
Augenlicht. Dennoch lernte er das Harfenspiel und reiste als
fahrender Sänger durch Irland. Über zweihundert Stücke werden ihm
zugeschrieben, und es mag nicht zu weit gegriffen sein, wenn man das
„typisch Irische“ in seiner Musik mit dem „typisch O'Carolan“
gleichsetzt.
Zwischen einer bunten Auswahl aus O'Carolans Werken wandert Tom Daun
musikalisch durch Europa. Die „Cantigas di Santa Maria“ sind eine
große Sammlung mittelalterlicher Lieder, die für König „Alfonso el
Sabio“, Alfons den Weisen, aufgezeichnet wurden, den Herrscher von
Kastilien und León. Bis heute erhalten, sind sie eine der
wichtigsten und schönsten Quellen früher Musik, die wir kennen. Vom
mittelalterlichen Spanien springt Tom Daun nun ins deutsche Barock.
Esaias Reusner war der Kammerlautenist von Kurfürst Friedrich
Wilhelm von Brandenburg. Aber die Übertragung einer Komposition für
Laute auf die Harfe ist eine ganz traditionelle und übliche
Variante, die auch für die Fantasie von Silvius Leopold Weiss war
der Lautenvirtuose seiner Zeit, an vielen Höfen Europas tätig und
ein ambitionierter Komponist.
Von Zentraleuropa führt die Reise nach England: auch John Dowland
verdankt seinen Ruhm zu Lebzeiten vor allem seinem fantastischen
Lautenspiel. Doch anders als Weiss reicht Dowlands kompositorischer
Anspruch deutlich weiter. Seine Lieder und Madrigale, seine
Fantasien und Tänze sind Meisterwerke der Musikgeschichte. Fast alle
sind durchwirkt von Melancholie und Trauer – Dowland selbst war ein
uberaus nachdenklicher, zum Grübeln neigender Mensch, was ihn jedoch
nicht daran hinderte, auf seinen zahllosen Reisen durch Europa als
Spion im Dienste des englischen Hofes zu wirken.
Bevor Tom Daun nach Irland zurückkehrt, geht es noch einmal in den
Mittelmeerraum. Der Priester und Harfenist Lucas Ruiz Ribayaz ist
der Herausgeber der bedeutendsten Sammlung spanischer Harfenmusik
des Barock unter dem Titel „Luz y norte musicale“ (übertragene
Bedeutung etwa „Musik von Licht und Schatten“) – und auch das
sephardische Wiegenlied „Durme, durme“ und das venezoelanische
Traditional atmen das Flair Hispaniens.
Thomas Höft
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