Ehrenfelder Abendmusiken

Die Seite rund  um die Kirchenmusik an der Versöhnungskirche

CONCERTI SACRI - Geistliche Musik von Heinrich Schütz

Heinrich Schütz ist sicherlich der bedeutendste deutsche Komponist des 17. Jahrhunderts. Er lebte und arbeitete zu einer der der an Umbrüchen reichsten Zeiten der europäischen Geschichte, voller Terror und Leid, aber auch voller Chancen für den Einzelnen. Heinrich Schütz hat den 30jährigen Krieg ebenso überlebt wie die meisten seiner Dienstherren. Er hat die in Italien erfundene Musiksprache des Barock, die Arbeit mit dem fortschreitenden Baß, dem Basso continuo, und dem ausdruckvollen Singen in Deutschland heimisch gemacht. Der tief gläubige Lutheraner Schütz hat vor allem die protestantische Kirchenmusik geprägt und wegweisend beeinflusst. Und dabei die aus dem katholischen Italien kommende neue Wertschätzung der Sprache und des dramatischen Ausdrucks in der Musik auf das Deutsche übertragen. Dabei arbeitete er mit den wichtigsten deutschen Poeten seiner Zeit zusammen, vor allem mit Martin Opitz, der ihm auch das Libretto zur ersten deutschen Oper „Daphne“ schrieb, die heute leider verschollen ist. 

Die Idee, dass Musik Ausdruck einer Handlung ist, dass sie mit dem Zuhörer redet und daher verstanden werden will, arbeitet Heinrich Schütz auch in seinen geistlichen Werken heraus. So auch in den Kompositionen, die im heutigen Konzert erklingen. Sie stammen aus drei großen Sammlungen, die Heinrich Schütz in den Druck gegeben hat, den „Kleinen Geistlichen Konzerten I und II“ von 1636 und 1639 und den „Symphoniae Sacrae, II. Teil“, die 1647 erschienen. Die beiden letzteren sind interessanterweise Dänen gewidmet, den Prinzen Friedrich und Christian. Und das führt uns direkt in ihre Entstehungszeit.

 Der Krieg zwischen katholischen Habsburgern und protestantischen Norddeutschen um die Macht im deutschen Reich tobt seit 20 Jahren. Starke Nachbarn haben sich inzwischen eingemischt, Frankreich, Dänemark und Schweden, Deutschland ist verwüstet, die Frontverläufe sind unklar, und wer noch lebt, hat zumeist alles verloren. So wundert es nicht, dass Heinrich Schütz nach Dänemark zieht, um am Hof von Kopenhagen sein Auskommen zu finden. Tatsächlich ernennt man ihn dort zum Hofkapellmeister. Und in der Vorrede zu den „Kleinen Geistlichen Konzerten“ beschreibt er, wie „die Bosheit unserer heutigen, den Künsten so feindlichen Zeit“ das Arbeiten erschwert und die Musik „durch Waffengewalt erstickt und in den Dreck getretenen“ wird. Umso erstaunlicher ist, mit welcher künstlerischen Kraft Schütz Glaubensgewissheit und Gottvertrauen dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – in Töne setzt. Wie sehr das kriegsferne Kopenhagen der Kunst und dem Meister wohltut, kann man auch an den „Symphoniae Sacrae“ ablesen, die dort um 1643/44 entstehen. Auch hier nimmt Schütz wieder die deutsche Sprache zum Ausgangspunkt seiner gestalterischen Arbeit, nicht ohne im Vorwort zu erwähnen, dass ihm zu Ohren gekommen sei, wie fleißig seine älteren lateinischen Werke musiziert werden, indem man ihnen deutsche Verse unterlegt. Deshalb wolle er jetzt gleich selbst die deutschen Texte einarbeiten. Heinrich Schütz hatte etwas zu sagen. Das hört man bis heute.                            

Thomas Höft