Ehrenfelder Abendmusiken

Die Seite rund  um die Kirchenmusik an der Versöhnungskirche

Von der Heiligen Nacht bis Epiphanias

Meine Großmutter sagte immer: „Wenn Heiligabend vorbei ist, ist Weihnachten gelaufen…“ Das ist natürlich eine sehr prosaische Haltung, aber sie war auch eine ganz nüchterne, bodenständige Frau. Allerdings irrte sie sich in diesem speziellen Fall besonders, denn je nach christlicher Konfession reicht die freudige Weihnachtszeit weit in das neue Jahr hinein. Ob man nun streng lutherisch die Festzeit mit dem Epiphaniastag am 6. Januar beschließt oder katholisch bis zum 2. Februar, dem „Fest der Darstellung des Herrn im Tempel“ weiter feiert, ob man wie in der Orthodoxie Weihnachten überhaupt erst am 6. Januar stattfinden lässt – all das sind nichts weiter als kulturgeschichtliche Gewohnheiten. Sie erinnern uns daran, dass Weihnachten vor allem anderen eine Vorstellung ist, denn den tatsächlichen Geburtstag Jesu hat noch niemand zweifelsfrei datieren können.

Man könnte also sogar mit einigem Recht das ganze Gegenteil vom Merksatz meiner Großmutter behaupten: Erst nach den hohen Feiertagen fängt Weihnachten richtig an! Erst jetzt ist für viele wirklich Zeit, nach dem Trubel zwischen letzten Einkäufen und erstem Festmahl, zwischen Bescherungen und Familienbesuchen, wirklich innezuhalten und Weihnachten auf sich wirken zu lassen, bevor einen das neue Jahr mit allen Anforderungen wieder einholt. Genau diese Zeit will sich das Programm heute nehmen und noch einmal von Weihnachten erzählen, und das auf ganz innige, musikalische Art und Weise. Noch einmal lassen die Musiker mit ganz unterschiedlichen Stücken die Stationen von Weihnachten vorüberziehen. Sie beschreiben die Geburt des Herrn als wundersamen, heiligen Moment, sie stimmen mit Engelschören und Hirten fröhliche, laut tönende Jubelgesänge an, sie werden darauf noch einmal mit den Schlafliedern Marias ganz still, bevor dann schließlich die ganze weihnachtliche Freude in Lob und Dank über das Geschehen kulminiert und die Könige aus dem Morgenlande ihre Aufwartung machen.

So reich wie die Stimmungen an diesem emotionalsten, rührendsten Fest der Christenheit, ist auch die musikalische Auswahl des heutigen Konzerts. Von den barocken Lutheranern Bach und Telemann spannt sich der Bogen zum Wiener Klassiker und Katholiken Mozart bis hin zum modernen anglikanischen Starkomponisten John Rutter. Ein ganz besonderer Schwerpunkt liegt aber diesmal auf den unbekannten frühen Romantikern Eybler, Schnabel, Reissiger, Führer und Schiedermayr. So unterschiedlich der Wiener (Eybler), der Breslauer (Schnabel), der Sachse (Reissiger) oder der Bayer (Schiedermayr) auch lebten und arbeiteten – alle waren von dem Wunsch beseelt, eine verständliche, schlichte, aber auch rührende und ganz gefühlvolle Musik für Weihnachten zu schreiben. Und genau so sollten wir sie auch hören: als Staunende und als Fühlende

Thomas Höft