A Countertenor‘s Christmas
Alle Jahre wieder entführt uns „A Countertenor's Christmas“ in eine
zauberhafte Weihnachtswelt. Hier wird nach jenen Gefühlen gesucht,
die die Weihnachtszeit im Innersten ausmachen, in einer Sprache, die
ganz direkt zu Herzen geht: die Sprache der Musik. Dabei verfließen
die Grenzen; die Barrieren zwischen alter und neuer Musik ebenso wie
jene zwischen Klassik und Pop, die Mauern zwischen Ländern und
Sprachen sind aufgehoben wie die zwischen Jahrhunderten und
Konfessionen. Einmal im Jahr dürfen wir die Regeln der klassischen
Konzertdramaturgie durch die Gesetze der emotionalen Dramaturgie
ersetzen, brauchen uns keine anderen Verbindungslinien zwischen den
Stücken zu erdenken als die schlichtweg hör- und spürbaren. A
Countertenor's Christmas“ ist Musik, die stimmt, weil sie eine
Stimmung transportiert, die vom Zauber spricht, vom Heiligen, vom
Unerklärlichen und vom Schönen.
Und wie jedesmal sind Gäste eingeladen, um die Stimmung zu
bereichern. Heuer erwarten wir außer Ute Eisenhut und Melissa Hegney
die Mitglieder des „Quatuor Romantique“. Eines der Highlights ihrer
aktuellen Weihnachts-CD ist die Suite aus Peter Tschaikowskys
„Nussknacker“ – der russische Meister hat hier ein deutsches
Märchen, ETA Hoffmanns „Von Nussknacker und Mausekönig“, in
unvergessliche Melodien gekleidet, die keineswegs nur für den jungen
Hörer gedacht sind. Ganz im Gegenteil: Tschaikowsky und Hoffmann
geht es um die poetischen Hintergründe des Weihnachtsfestes. Eines
Festes, das durch und durch bürgerlich ist, aber gerade deshalb auch
seine bedrohten Seiten hat. Deshalb sind nicht nur die schönsten
Sätze aus Tschaikowskys Ballett zu hören, ich habe mir erlaubt, fünf
zentrale Episoden aus ETA Hoffmanns Märchen zusammenzufassen, die
ich in fünf Kapiteln im Laufe des Abends vorlesen werde.
Dazu gibt es wie immer Raritäten aus der unergründlichen Fülle
weihnachtlicher Musik, Stücke, die eben so selten wie hinreißend
sind und uns erzählen von Weihnachten, wie es in einem deutschen
Haus um 1900 gefeiert wurde. Deutsche Romantiker wie Irmler und
Reger sind es, deren Musiksprache so unverkennbar die Weihe, aber
auch die Schwermut deutscher Weihnacht transportieren. Ganz anders
César Franck, Charles Gounod und Peter Benoit: die Weihnachtsmusik
aus dem französisch-katholischen Kulturkreis atmet Süße und
Zärtlichkeit, die ganz ohne Schatten daherkommt. Und in Amerika
kommt dazu ein hymnischer Überschwang, wie man ihn exemplarisch in
Linda Spevacek 'A Choral Flourish' hören kann. Hier zeigt sich zu
wie viel Melodie zeitgenössische Komponisten tatsächlich fähig sind,
wenn sie schlicht und einfach begeistern wollen.
Thomas Höft