Ehrenfelder Abendmusiken

Die Seite rund  um die Kirchenmusik an der Versöhnungskirche

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Celle, die idyllische norddeutsche Fachwerkstadt, hatte im 17. und 18. Jahrhundert ein reges wirtschaftliches und kulturelles Leben. Noch heute zeugen Schloss und Altstadt vom damaligen Reichtum. Es waren Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg und dessen Gemahlin, die für diesen Aufschwung verantwortlich gemacht werden können. Denn Eleonore d'Olbreuse kam aus Frankreich und überzeugte ihren aufgeschlossen und offen denkenden Mann, in Frankreich verfolgte Hugenotten in Celle aufzunehmen. Mit den Hugenotten kamen Kreative aus dem Nachbarland, Baumeister, Maler und Musiker, und statteten den herzoglichen Haushalt mit qualitätsvoller, ganz aktueller Kunst aus. Wobei natürlich wichtige Positionen am Hofe auch weiterhin mit Deutschen besetzt waren. Einer der angesehensten darunter: Johann Georg Kühnhausen, Sänger in der herzoglichen Hofkapelle und später aufgestiegen zum Stadtkantor in Celle.

Wann genau Johann Georg Kühnhausens Matthäuspassion entstanden ist, kann heute nicht mehr genau gesagt werden, wahrscheinlich entstand sie um das Jahr 1700, als sich Celles Blüte langsam dem Ende zuneigte. Das Herzogspaar hatte keine Erben, und als Georg Wilhelm 1705 starb, fiel das Herzogtum an die hannoverschen Welfen und büßte seinen Residenzstatus ein. Man merkt allerdings schon der Matthäuspassion an, das sie nicht aus dem Vollen schöpfen konnte: weder über ein großes Orchester noch über hochvirtuose Sänger verfügt Kühnhausen. Doch das macht er mit musikalischer Phantasie mehr als wett. Klar und streng lutherisch reflektiert er über die Passion, schildert die Ereignisse so knapp wie dramatisch, und lässt als Hauptmelodie den Choral „Jesu, meines Lebens Leben“ des Celler Hoforganisten Wolfgang Weßnitzer im Mittelpunkt stehen. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass diese Passionsmusik zunächst unter Anwesenheit der Herzogsfamilie von den Mitgliedern der Hofkapelle aufgeführt worden ist. Leider hat außer diesem hochinteressanten Stück kein anderes von Kühnhausen die Zeiten überdauert, und auch seine persönliche Spur verliert sich im Dunkel der Geschichte.

Thomas Höft