Ehrenfelder Abendmusiken

Die Seite rund  um die Kirchenmusik an der Versöhnungskirche

'A Countertenor's Christmas - the 12th Season'
Europäische Weihnachtsmusik aus drei Jahrhunderten
Musik von Bach, Rutter, Boedecker, Goodall u.a.

50 Ehrenfelder Abendmusiken, das ist eine stolze Zahl. Und für alle, die heute A Countertenor's Christmas, das adventliche Konzertereignis, das das Herz der Reihe bildet, vielleicht zum ersten Mal erleben, sei gesagt, dass sich heute hier einige Kreise schließen. Ein Jahrzehnt erstaunlicher musikalischer Arbeit, deren Dokumentation übrigens in einem frisch erschienenen Bändchen in Wort, Bild und Musik heute zum ersten Mal erworben werden kann. Dort ist belegt, was auch im heutigen Konzert so prägnant aufscheint: dass die Versöhnungskirche in Neuehrenfeld ein wirklich ungewöhnlicher Ort der Kölner Musikszene ist. Hier durchdringen sich auf ideale Weise nachbarschaftliche Nähe und internationaler Konzertbetrieb, sozialer und qualitativer Anspruch an Musik, und vor allem auch Stile, Musizierweisen und Genres.

Das Programm des heutigen Abends ist typisch für diese Haltung, die tatsächlich vor nichts Halt macht, was gute und emotionale Musik auszeichnet. Jeder wird überrascht werden, sowohl der Traditionalist Historischer Aufführungspraxis als auch der Hörer klassischer Weihnachtsmusik. Denn dieser Abend enthält von allem etwas, und dennoch in einer ganz genuin anderen Form. Tatsächlich reicht die Spanne des Aufgeführten von früher, anonymer Volksmusik bis hin zu einer Uraufführung: der britische Komponist David Fisher hat eigens für dieses Konzert, für Emma Kirkby, Joachim Diessner und Markus Märkl seine persönliche, zeitgenössisch ins Orientalistische tendierende Variante eines modernen Adventsliedes komponiert: „When Jesus lay on Mary's lap“.

Dieses neue Stück ist eingebunden in eine stimmungsvolle, assoziative, mäandernde Reise in die unterschiedlichen Traditionen adventlicher und weihnachtlicher Musik, die ins romantische Deutschland ebenso führt wie nach Frankreich und die USA. Besonders herauszuheben ist dabei der Gruß zu Chanukka, das jüdische Lichterfest, das traditionell im November und Dezember gefeiert wird, den der Countertenor Arnon Zlotnik mitgebracht hat: „Nerotay haze'Irim“. Aber dennoch lassen sich zwei musikalische Schwerpunkte ausmachen, zu denen die Reise immer wieder führt.

Der erste hat mit dem faszinierenden Instrument zu tun, das heute im Altarraum zu finden ist. Es handelt sich um ein digitales Glockenspiel, das vom flämischen Carilloneur Frank Deleu gespielt wird. Zu hören sind die gesampelten Glocken des Dumery-Glockenspiels (1742-1748), die original im Brügger Belfried hängen und mit der authentischen Klaviatur angeschlagen werden. Frank Deleu spielt heute Stücke aus „Beyaert 1728“, der ältesten bekannten Sammlung von Kompositionen für das Glockenspiel, vermutlich von Clement Augustine Everaerts, Carillonneur der St. Jacobs Kirche in Antwerpen. Ein Manuskript, das nur Weihnachtslieder enthält.

Der zweite musikalische Schwerpunkt des Abends ist das traditionelle englische Carol, das pastorale Adventslied von den britischen Inseln. In welch vielfältigem Gesicht dieses bei uns wenig bekannte Repertoire auftritt, wie ganz traditionelle, aus dem Mittelalter stammende Lieder immer wieder neu bearbeitet werden, lässt sich in der heimatlichen Referenz des Stargastes des heutigen Abends, Dame Emma Kirkby, bewundern. Wobei dann manchmal – noch ein sich schließender Kreis – überraschende Bezüge nach Köln auftauchen. Oder wussten Sie, dass das berühmte englische Adventslied „O come o come Emmanuel“ zuerst 1710 im Kölner Psalteriolum cantionum von Johannes Heringsdorf überliefert ist?

Thomas Höft